Der Verlust der Biodiversität ist die versteckte Krise unserer Zeit. Doch hängt diese Entwicklung direkt mit dem Klimawandel zusammen, dem in den Medien viel mehr Platz eingeräumt wird und ist womöglich noch viel gravierender. Dieser Rückgang der biologischen Vielfalt hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch beschleunigt.
Dafür verantwortlich sind hauptsächlich Aktivitäten des Menschen, insbesondere der Landnutzungswandel, die Abholzung von Wäldern und die Verschmutzung der Weltmeere, verbunden mit einer exponentiell wachsenden Weltbevölkerung. Was kann man dagegen tun? Sollten Sie ein Vogelhaus bauen, einem Tierschutzverein beitreten oder auf Kreuzfahrten verzichten? Was tatsächlich hilft, ist ein steigendes Umweltbewusstsein und die Förderung des Artenschutzes. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Beitrag.
Ursachen des Biodiversitätsverlusts
Zerschneidung von Lebensräumen
Die Zerschneidung von Lebensräumen stellt eine der Hauptursachen für den Biodiversitätsverlust dar. Viele Tiere wie Tiger, Jaguar, Antilopen und Elefanten benötigen große und zusammenhängende Flächen, um zu überleben. Durch neue Straßen werden diese so wichtigen Lebensräume zerteilt und die Tiere finden keine Partner zur Fortpflanzung mehr.
Ausbeutung natürlicher Rohstoffe
Die wachsende Weltbevölkerung führt dazu, dass immer mehr Ackerflächen für die Landwirtschaft und gleichzeitig mehr Platz für Industriekomplexe benötigt werden. Der Hunger der Wirtschaft ist immer noch unersättlich. Besonders die Abholzung des Regenwaldes führt zu einem dramatischen Rückgang der Biodiversität, da hier die Artenvielfalt sehr groß ist, die humusarmen Böden aber zugleich sehr nährstoffarm sind, was weitere Rodungen zur Folge hat. Negative Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem sind die Folge. Die Ausbedeutung natürlicher Rohstoffe bedeuten schwere Eingriffe in das natürliche Gleichgewicht einer Region, egal ob es sich dabei um den Abbau von Kohlen, Eisen oder edlen Diamanten handelt. Mit dem wachsenden Wohlstand großer Bevölkerungsteile in Asien sowie Afrika und Lateinamerika steigt der Hunger nach Konsumgütern wie Autos, teure Kleidung, aber auch Fleisch und Feinkost, was die Ernährung betrifft. In vielen Regionen engt dies zusammen mit dem wachsenden Bevölkerungsdruck die Wildnis und natürliche Lebensräume ungemein ein.
Zerstörung des natürlichen Gleichgewichts
Die Begradigung von Flüssen und die Trockenlegung von Sümpfen, Mangrovenwäldern und Mooren führt ebenso zu weitreichenden Konsequenzen für die dort heimische Flora und Fauna. Invasive Arten stellen ein zusätzliches Problem dar und haben wie einst in Australien und Neuseeland zur Ausrottung ganzer Arten ohne natürliche Fressfeinde geführt. Außerdem verstärken der Klimawandel und die steigenden Temperaturen die Bedrohung der Biodiversität weiter. Das betrifft die Verbreitung bestimmter Arten genauso wie Migrationsbewegungen von etlichen Tieren oder Interaktionen mit dem Ökosystem. Nicht zu vergessen sind die vielen Schad- und Nährstoffe in Wasser, Luft und Boden. Einerseits stoßen Industrie und Verkehr Unmengen an Schadstoffen in die Luft, andererseits gelangen über die Landwirtschaft, Kläranlagen und Industrie große Mengen an Nährstoffen in die Natur. Diese Überdüngung reduziert die biologische Vielfalt. Sinnbildlich steht Plastikmüll für die Verschmutzung der Weltmeere und vieler anderer Lebensräume durch die Menschheit. Plastik tötet unzählige Tiere qualvoll. Nicht zuletzt bedeuten Jagd und Wilderei eine erhebliche Gefahr für viele bedrohte Arten. Am bekanntesten dürfte die Jagd von Wilderern nach Elfenbein und Nashorn sein, aber auch Tigerknochen und Ähnliches finden gerade auf asiatischen Märkten reißenden Absatz und treiben manche Spezies an den Rand der Ausrottung.
Auswirkungen des Biodiversitätsverlusts
Der weltweite Biodiversitätsverlust zieht schwerwiegende Auswirkungen nach sich, die nicht allein die Störung ökologischer Gleichgewichte betrifft. Oft vergessen wir Menschen, dass wir von dieser so besorgniserregenden Entwicklung direkt betroffen sein werden, die unsere Gesundheit und Ernährungssicherheit unmittelbar tangiert. Die gesamte globale Lebensmittelproduktion ist in Gefahr. Grund dafür ist der Verlust genetischer Vielfalt. Diese Generosion betrifft Pflanzen- und Tierarten gleichermaßen. Ein Großteil der angebauten Nahrungs- und Futterpflanzen setzt sich aus wenigen Arten wie Weizen, Reis, Mais, Gerste, Kartoffeln, Maniok und Soja zusammen. Beim Nutzvieh dominieren ebenfalls wenige Arten wie Rind, Schwein, Geflügel, Ziege, Schaf und Pferd. Nicht viel besser sieht es in der Forstwirtschaft aus, in der Baumarten wie Fichte, Tanne, Douglasie und Pappel dominieren. In der Fischzucht züchten due meisten Betriebe Forelle, Lachs, Barsch und Karpfen.
Praktische Beispiele
Ein gutes Beispiel für die Auswirkungen des Biodiversitätsverlusts ist der Rückgang vieler Bienenbestände und weiterer Insekten, die für die Bestäubung von Blumen und Nutzpflanzen unabdingbar sind. Ein Drittel aller Nutzpflanzen würde auf diese Weise verschwinden. Ebenso ist beispielsweise die Fischerei davon betroffen. Gerade Monokulturen bedeutet stets einen riesigen Verlust für die dort ursprünglich beheimatete Flora und Fauna. Gab es in den Anden ursprünglich hunderte oder gar tausende verschiedene Kartoffelsorten, dominieren den Weltmarkt heute wenige gewinnbringende Züchtungen. Die Artenvielfalt nimmt unbestreitbar schon seit geraumer Zeit ab und viele Wissenschaftler sprechen gar vom sechsten Massensterben der Erdgeschichte, mit dem Unterschied, dass diesmal die Menschheit einen ganz entscheidenden Beitrag zu dieser ungesunden Entwicklung leistet.
Versteckte Folgen des Biodiversitätsverlusts
Der Biodiversitätsverlust bringt nicht nur offensichtliche, sondern genauso versteckte und schleichende Folgen mit sich. Die Verschiebung von Lebensräumen erfolgt schleichend, aber stetig. Das beschränkt sich nicht auf kältere Regionen im Norden oder Süden, sondern umfasst auch die Höhenlage innerhalb ein und desselben Habitats. Kleinere Tierarten wie Käfer und Insekten sterben womöglich aus, bevor sie auch nur entdeckt und erforscht werden. Gleiches gilt für viele wertvolle Heilpflanzen, die gegen Krankheiten wirken könnten. schließlich geht mit dem Verlust der Biodiversität der Niedergang von Naturvölkern wie den Amazonas-Indianern oder den Pygmäen einher. Mit dem Verschwinden ihres Wissensschatzes über die natürlichen Zusammenhänge erfährt die ganze Menschheit einen unwiederbringlichen Verlust.
Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität
Um den Schutz der globalen Biodiversität aufrechtzuerhalten und durchzusetzen bedarf es gezielter Maßnahmen von politischer, wirtschaftlicher, rechtlicher und nicht zuletzt gesellschaftlicher Seite. Denn jeder Einzelne unter Ihnen kann gemeinsam im Verein oder auch allein dazu beitragen, dass die Biodiversität im eigenen Garten in Vielfalt gedeiht. Hobby-Gärtner wissen wohl am besten, wie sehr Insekten blühende Blumenbeete schätzen. Sie können natürlich auch selbst ein Vogelhaus bauen und schaffen damit wertvolle Verstecke für viele einheimische Vogelarten. Überhaupt tragen Gärten und Parks in urbanen Räumen viel zur Artenvielfalt bei. Manche urbanen Lebensräume wie der Tiergarten in Berlin weisen eine höhere Biodiversität auf als Flächen im ländlichen Raum, die von Monokulturen in Anspruch genommen werden.
Maßnahmen, die jeder Einzelne umsetzen kann
Wir alle haben es ein Stück weit selbst, ob sich das ökologische Gleichgewicht wieder hin zum Besseren verschiebt. Der ökologische Fußabdruck und Rucksack sind dafür anschauliche Begriffe, die uns allen und Ihnen aufzeigen, wie viel Ressourcen indirekt in all den Produkten stecken, die wir konsumieren. Hinzu kommt die gesellschaftliche Bewusstseinsbildung zum Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist der Flugscham, der erstmals in Schweden einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Menschen verzichten bewusst aufs Fliegen und nehmen sich stattdessen Zeit, um Menschen, Länder und Kulturen auf dem Land- oder Wasserweg zu erkunden. Ähnliches gilt für den Verzicht auf Kreuzfahrten, mindestens so lange bis alternative Treibstoffe größere Verbreitung gefunden haben.
Internationale Initiativen und Abkommen
Übereinkommen über die biologische Vielfalt
Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (kurz Biodiversitätskonvention, englisch Convention on Biological Diversity, CBD) trat im Jahr 1993 in Kraft und stellt das wichtigste multilaterale Vertragswerk für den Schutz der globalen Biodiversität dar. 196 Staaten haben sich dem Abkommen angeschlossen. 2010 initiierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen zudem einen Biodiversitätsrat unter der Bezeichnung „Zwischenstaatlichen Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen“ (IPBES). Dieser fungiert analog zum Weltklimarat als eine Art Weltbiodiversitätsrat. Er soll die Entwicklung der weltweiten Biodiversität beobachten und exakt erfassen. Zu den Zielen des Abkommens, dem auf dem COP15-Gipfel in Montreal 2022 auch die EU beitrat, zählen die Wiederherstellung von 30 Prozent aller geschädigten Ökosysteme bis 2030 und die Erhaltung sowie der Schutz von 30 Prozent aller Gewässer und Meere. Das Aussterben von Arten soll aufgehalten werden.
Abkommen zum Schutz der Weltmeere
2023 folgte endlich ein verbindliches Abkommen zum Schutz der Weltmeere. Dieses schafft unter anderem die Grundlage für die Ausweisung großer Meeresschutzgebiete. Zugleich legt es fest, welche wirtschaftlichen Projekte, Expeditionen und weitere menschliche Aktivitäten auf hoher See zukünftig stattfinden dürfen. Dieses Abkommen ist dringlicher denn je, denn es haben sich bereits großflächige Müllteppiche in den Ozeanen gebildet und in vielen Teilen der Weltmeere verschwinden Fische, Meeresschildkröten und viele andere Arten. Im besten Fall wird es so erfolgreich sein wie das Verbot des kommerziellen Walfangs, das bis auf wenige Ausnahmen fast alle Staaten erfolgreich umsetzten.
Naturschutzorganisationen und private Initiativen
Private Initiativen und Schutzgebiete können ebenfalls ihren Teil dazu beitragen, vom Aussterben bedrohte Tierarten wie die beiden in Südafrika beheimateten Nashornarten gezielt zu schützen. Internationale Naturschutzorganisationen wie der WWF haben weltweit Unterstützer und setzen sich für den Erhalt der Biodiversität und die Schaffung von Korridoren zwischen auseinandergerissenen Lebensräumen ein. Sie sind maßgeblich an der Ausgestaltung neuer Schutzgebiete beteiligt und verhandeln oft genug auch mit schwierigem Partner aus der Wirtschaft und Industrie. Zugleich versuchen WWF und Co. die lokale Bevölkerung in Schutzinitiativen einzubinden, sodass diese nicht länger wildern müssen, sondern ihr Einkommen im Kontext mit dem Schutz der Natur und dem Erhalt der Biodiversität generieren. In jüngerer Zeit kam der sanfte Ökotourismus hinzu, so zu den bedrohten Berggorillas in Ostafrika oder auf den Galapagosinseln.
Fazit
Der Verlust biologischer Vielfalt ist ein ernst zu nehmendes Thema, das zusammen mit dem Klimawandel die größte Gefahr für das Überleben der Menschheit und vieler Lebewesen auf einer intakten Erde darstellt. Deshalb ist Artenschutz so wichtig für unser Überleben. Jeder kann seinen Teil dazu beitragen und sei es nur in Ihrem eigenen Garten oder in der Art und Weise, wie wir und Sie einkaufen, sich kleiden und verreisen. Die Zeit dafür drängt.